Bis zum Ausbruch der Corona-Pandemie waren Onlineprüfungen in der Schweiz eine Ausnahme. Doch aufgrund der Situation sah sich der Staat gezwungen, den Unterricht der Hochschulen und Universitäten auf den Fernunterricht zu verlegen und die Prüfungen werden vielerorts online durchgeführt. Obwohl Prüfungen im Bereich der höheren Berufsbildung – insbesondere an Hochschulen und Universitäten – bei hinreichender Berücksichtigung der Schutzmassnahmen vor Ort durchgeführt werden dürfen, mussten sich die Mehrheit der Auszubildenden auf eine Online-Prüfung einstellen. Da die gesetzlichen Vorgaben vielfach nicht rechtzeitig angepasst wurden, ergab sich ein erhebliches Potential für eine Prüfungsanfechtung Online-Prüfung. Online-Prüfungen wird es in der Schweiz unabhängig davon, auch in der Zukunft vermehrt geben.
Aufgrund der Pandemie mussten sich die Lehranstalten verstärkt mit der Digitalisierung auseinandersetzen. Sowohl der Unterricht als auch Prüfungen wurden bzw. werden online durchgeführt. Im Vergleich zu vielen anderen Ländern, wie beispielsweise den USA, ist der Status der Digitalisierung im Schulwesen in der Schweiz fast ähnlich desaströs wie in der Bundesrepublik Deutschland, die eigentlich kaum zu unterbieten ist.
Bereits in der ersten Welle der Covid-19-Pandemie setzten viele Schulen vermehrt auf den Onlineunterricht. Dabei wurde schnell offenbart, dass Lehrpersonen nicht den nötigen Wissensstand haben, um online einen angemessenen Unterricht durchzuführen. Viele Schüler sahen sich mit zahlreichen E-Mails konfrontiert, die im Anhang Arbeitsblätter zum Ausdruck beinhalteten. Plötzlich wurde von den Schülern gefordert, dass die Schüler einen Computer besitzen, um dem Onlineunterricht folgen zu können.
Um den Unterricht durchzuführen, wurden bzw. werden verschiedene Online-Plattformen verwendet, die bezüglich des Datenschutzes zum Teil nicht rechtskonform waren bzw. sind.
Für die Primarschulen wurde im Frühjahrssemester entschieden, dass grundsätzlich keine Noten vergeben werden sollen. So gab es lediglich ein Zeugnis, durch das der Besuch des Semesters bescheinigt wurde. Maturitätsprüfungen und Lehrabschlussprüfungen wurden gestrichen.
Die Hochschulen und Universitäten haben für Onlineunterricht oft eine bessere technische Grundlage. Allerdings waren auch diese nicht darauf ausgerichtet, den gesamten Unterricht online durchzuführen. So mussten viele Hochschulen und Universitäten ihre IT ausbauen und auf einen neuen Stand bringen, um den erforderlichen Zugang zu Materialien und Podcasts zu gewährleisten. Diese Umstrukturierung benötigt Zeit – zu Lasten der Studierenden.
Immer wieder werden die Rechtsanwälte Dr. Heinze & Partner mit verschiedenen Fehlerquellen bei Onlineprüfungen konfrontiert. Partiell agiert die Prüfungsinstitution dilettantisch.
Onlineprüfungen werden in der Regel als Multipel-Choice Tests oder als Essay Tests durchgeführt. Auch gemischte Arten sind möglich. Mischprüfungen sind prüfungsrechtlich unabhängig von der Onlineprüfung besonders gut mit einer Prüfungsanfechtung angreifbar.
Grundsätzlich können bei den Onlineprüfungen die gleichen formellen Fehler auftreten wie bei den vor Ort durchgeführten Prüfungsverfahren. Es gelten grundsätzlich die Ausführungen zum Prüfungsrecht allgemein (Link) und zur Prüfungsanfechtung allgemein. (Link) Allerdings spielen technische Fehler bei Onlineprüfungen eine zentrale Rolle.
Vielfach ist die Onlineplattform, mittels derer eine Onlineprüfung jeweils durchgeführt wird, nicht hinreichend gesichert. Gleichzeitig verlangen viele Hochschulen und Universitäten, dass während der Prüfungszeit Vorkehrungen getroffen werden können, um mögliches Fehlverhalten der Prüflinge während der Prüfung aufdecken zu können – beispielsweise durch das Einschalten der Webcam. Dies ist ein Eingriff in die Privatsphäre und kann je nach Intensität aufgrund des damit verbundenen Eingriffs in das allgemeine Persönlichkeitsrecht unverhältnismässig sein.
Wie die Rechtsanwälte Dr. Heinze & Partner beobachtet haben, kommt es seitens der Prüfungsinstitutionen im Zusammenhang mit Onlineprüfungen häufig zum Vorwurf eines Betrugs bzw. eines Täuschungsversuches. Obwohl der Terminus „Betrug“ grundsätzlich strafrechtlich belegt ist, ist er bei einigen Hochschulen, Universitäten oder sonstigen Prüfungsinstitutionen in der Schweiz auch prüfungsrechtlich normiert, obwohl es sich bei präziser Benennung um einen prüfungsrechtlichen Täuschungsversuch handelt. So sehen sich die Studierenden vermehrt mir einem Disziplinarverfahren konfrontiert – häufig aufgrund willkürlicher und unsubstantiierter Vorwürfe. So haben einige Universitäten angeblich aufgrund einer vergleichbaren Bearbeitungsdauer der Studierenden bei Prüfungsaufgaben einen Täuschungsversuch erkennen wollen, obwohl Mathematiker und Informatiker der Auffassung sind, dass sich daraus keine Rückschlüsse ergeben, zumal die Universitäten die technischen Grundlagen nicht transparent darlegen konnten und Gegenvergleiche unterlassen haben. Darüber hinaus wurden Studierende sogar unter Druck gesetzt, so dass sogar die NZZ (Neue Züricher Zeitung) über ein derartiges Vorgehen der Universität Zürich berichtete.
Bezüglich der Bewertungsfehler gelten – ebenso wie bei analogen Prüfungen – die Ausführungen zur Prüfungsanfechtung allgemein.